Gastfreundschaft und andere Besonderheiten

In unserem Reiseführer wird vom „System der Höflichkeit“ gesprochen, dem „Ritual- und Wettkampfcharakter der Höflichkeit“. So ist es im Iran üblich, dass beim Bezahlen erstmal das Geld abgelehnt oder einem etwas als Geschenk angeboten wird. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass dieses Angebot erstmal abgelehnt werden muss. Erst wenn man etwas 3, 4 oder 5 mal abgelehnt hat und es immer noch angeboten bekommt, erst dann darf man es auch annehmen. Echt gewöhnungsbedürftig. So waren wir zum Beispiel schon in einem Supermarkt oder auch Klamottenladen, wo beim Bezahlen zuerst der Kopf geschüttelt wurde, obwohl allen klar war, dass wir das was wir wollen auch bezahlen müssen. Andererseits wurden wir in der U-Bahn schon in den Fahrstuhl gedrängt und durften kein Ticket kaufen oder an der Mautstation mit den Worten „Welcome to Iran, I love you“ durchgewunken.

Prinzipiell sind die meisten Iraner sehr neugierig auf uns und wollen beispielsweise erfahren wie ein typischer deutscher Tage abläuft oder auch wie viel Knoblauchsalz in Deutschland kostet 😂 und die wenigsten können sich vorstellen, dass wir in unserem Camper alles haben was wir brauchen. (Essen, Bett, Bad) Man wird immer wieder nach Hause eingeladen um zu duschen oder das Bad zu benutzen, wobei durch den Google Übersetzer teilweise witzige Sätze zustande kommen, so nach dem Motto „Willst du mit mir Baden oder auf die Toilette“. Als wir einmal zum „Polizeitiger“ geschickt wurden, nahmen wir einfach mal an, dass der Chef gemeint ist. Süß war auch, als eine Kassiererin im Supermarkt extra jemanden angerufen hat, der uns dann per Lautsprecher den Preis auf Englisch gesagt hat.

Teilweise ist es wirklich schade, dass hier die wenigsten Englisch sprechen können (mal von den Standardbrocken abgesehen) und man keine richtige Konversation betreiben kann. Wir würden schon auch gerne mehr und tiefgründigere Sachen erfahren. Manchmal ist es jedoch auch echt schön, denn so lassen sich einige Gespräche schnell beenden, wenn man z.B. bei strömendem Regen nach einem Mausoleumsbesuch einfach schnell ins trockene Fahrerhaus und weiterfahren will. Ansonsten würden wir, oder besser gesagt Holger, wahrscheinlich nur noch mit Leuten reden und wir könnten nichts mehr von dem wunderschönen Land sehen. Es ist so schon verrückt genug, wie viele Leute mit ihm ein Foto machen wollen. An der Tanke, im Supermarkt, bei Sehenswürdigkeiten, auf der Straße, einfach überall… Rote Bärte gibt es hier halt keine 🤪 da bin ich froh, wenn ich einfach ignoriert werde. Dafür habe ich den ständige Druck der Kleiderordnung bzw. das Verstecken, wenn man diese gerade nicht einhält, was wirklich nervig ist. Da steht man mitten in der Wüste, komplett allein und bei den Temperaturen natürlich im T Shirt und ohne Kopftuch und sobald sich ein Fahrzeug nähert muss ich in den Laster springen und dann immer hoffen, dass auch keiner anhält, sondern einfach vorbei fährt. Man wird schon ganz paranoid. Bei den Temperaturen (30-40 Grad) ist die Kleiderordnung für Frauen, vor allem für uns Europäer, echt heftig. Selbst während der Fahrt muss ich entsprechend gekleidet sein und das im Fred ohne Klimaanlage. Da habe ich mir außerhalb von Ortschaften angewöhnt, das Kopftuch über die Schulter zu legen und bei Bedarf schnell über den Kopf und die Arme zu ziehen. Man wird erfinderisch, aber der Respekt und der Druck bleibt und das ständig.

Das Tanken hier ist auch immer wieder ein Erlebnis und eine Herausforderung. Da im Iran kein PKW mit Diesel fährt, bekommt man diesen nicht an allen Tankstellen und nur mit einer Dieselkarte. Als Tourist haben wir natürlich keine und sind somit immer darauf angewiesen, dass entweder die Tankstelle eine Dieselkarte hat oder dass uns ein LKW Fahrer mit seiner aushilft. Das kann manchmal schon mühsam sein, denn so freundlich und kommunikativ die Iraner sind, wenn sie auf uns zu kommen, so abweisend und unkommunikativ sind sie oftmals, wenn wir kommen und  was wollen. Deshalb schauen wir immer schon frühzeitig, so dass man immer noch genügen Sprit hat um weiter zu fahren, sei es weil es keine Dieselkarte gibt oder weil der Preis doch zu Wucher ist. Allerdings ist es, vor allem in der jetzigen Zeit, wo in Europa der Literpreis beim Diesel über 2€ liegt, schon krass, dass hier ein Liter  umgerechnet 1 Cent kostet. Selbst wenn wir abgezockt werden, zahlen wir nie mehr als 6,5 Cent pro Liter und wir haben auch schon 70 Liter geschenkt bekommen. Einfach verrückt.

Heftig ist jedoch, dass der Literpreis in Rial 3.000 beträgt. Bereits in der Türkei und nun auch im Iran erleben wir die Inflation hautnah. Gott sei Dank ist der Euro noch so stark, es muss schlimm sein, wenn die eigene Währung auf einmal wertlos ist.
Wenn gängige Scheine (z.B. 200 Rial) nicht mehr verwendet werden, weil sie nix mehr wert sind.
Wenn man lieber fremdes Geld annimmt, statt dem eigenen.
Wenn die Geldbündel auf einmal so riesig sind, dass die Einheimischen alle nur noch mit Karte zahlen.
Wenn alle Scheine so viele Nullen haben, dass schon über eine Reform und neue Scheine gesprochen wird.
Das alles zu erleben ist sehr spannend und beängstigend zu gleich. Hoffentlich erleben wir das in Deutschland nie.

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